E-Girls und E-Boys auf TikTok oder Instagram: neue Jugendkultur (2024)

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Digitale Jugendkultur

Hella Schneider Mode

Jugendkulturen entstehen heutzutage im digitalen Raum. Eine davon ist jene der E-Girls und E-Boys.

Häufig heisst es, Subkulturen seien tot. Dabei sind sie eigentlich sehr lebendig – sie entwickeln sich nur ganz anders als früher, in einer Zeit vor dem Internet. Und sie entstehen häufig online. Für Teenager, die praktisch immer die Wurzeln aller Subkulturen sind, heisst das auf den Social-Media-Apps Instagram und TikTok. Dadurch kommen und gehen sie schneller, als viele Erwachsene es überhaupt erst mitbekommen.

Sie sind gewissermassen verschlossener geworden, ihre Codes sind schwieriger zu entschlüsseln. Dadurch sind Subkulturen im Allgemeinen schwieriger zu identifizieren. Vielleicht brauchen wir auch einen neuen Begriff für sie, denn so richtig klein und damit subkulturell bleiben sie online selten, meist blasen sie sich von selbst schnell auf. Das ist man sich von Online-Mechanismen schliesslich auch gewohnt.

Die beliebteste App weltweit

Während Instagram jedem ein Begriff sein sollte, verhält es sich mit der gerade besonders bei Teenagern so beliebten App TikTok bisher noch anders. Mit über einer Milliarde Downloads gilt TikTok momentan als die beliebteste App weltweit – und als die Social-Media-Plattform mit dem grössten Wachstumspotenzial. Dieser Erfolg beruht auf 15 Sekunden langen Videos, die mal mehr, mal weniger künstlerisch zusammengeschnitten werden.

Diese Kreativität zusammen mit sogenannten «Challenges» – kurz gesagt: Videos zu bestimmten Themen, die als Hashtags verbreitet und als Aufgaben verstanden werden können – zieht viele Teenager an und motiviert sie, unzählige Videos zu verbreiten. TikTok ist gewissermassen die spassige, belanglose Schnittstelle zwischen Youtube und Instagram. Mittlerweile hat die App bereits ihre eigenen Stars hervorgebracht, die Millionen Follower weltweit haben.

Wer sind die E-Girls und E-Boys?

Und auch einen neuen Typus Teenager, der gerade als das «cool kid» gilt: die E-Girls und E-Boys. Das «E» bezieht sich in dem Fall auf electronic, weil ihr Stil vor allem online geprägt wird und weil vieles, mit dem sich E-Girls und -Boys so beschäftigen, aus der Online-Sphäre stammt. Dort wird diskutiert und ausgelebt – etwa Gaming (Online-Computerspiele), Cosplay (grob gesagt: Fantasy-Rollenspiele) oder Animes (ein bestimmtes Genre japanischer Zeichentrickfilme, die einen ganzen Stil prägen). Auf Instagram finden sich derzeit mehr als 600000 Beiträge unter dem Hashtag #egirl. Auf TikTok sind es sogar mehr als eine halbe Milliarde.

Der Stil und die derzeitige Lebenseinstellung von E-Girls und -Boys ist daher besonders kreativ. Für sie scheint alles irgendwie ein Spiel zu sein. In ihrer Ästhetik wird die für Teenager so typische Zerrissenheit zwischen Kindheit und Erwachsenwerden deutlich – etwas, das sonst versteckt wird, ist bei ihnen also total transparent. Viele der Posts kommen direkt aus ihren Jugendzimmern heraus – das wird auch nicht versteckt, genauso wenig wie Kuscheltiere, die andere Teenager-Generationen noch verschämt nur nachts rausgeholt hätten.

Bunt und schrill

Ob das eine Art Rebellion dagegen ist, dass Teenager heute immer früher erwachsen werden (oder sich zumindest so geben), sei an dieser Stelle dahingestellt. E-Girls und -Boys gehen spielerisch mit Mode und Make-up um. Buntes und ästhetisch Lautes ist typisch für sie. Genauso wie Chaotisches und Spontanes, eine gewisse Unordnung in allem quasi.

Interessanterweise sind E-Girls und -Boys allein dadurch definiert, dass ihre Ästhetik vor allem online lebt – aber dennoch ist es ein fester Look mit bestimmten Erkennungsmerkmalen. Daher gibt es auch Dinge wie die E-Girl-Challenge, in der Teenager etwa ihre Eltern oder kleine Kinder in vermeintliche E-Girls und -Boys verwandeln.

Anlehnung an die Emos

Ästhetisch nahe sind viele E-Girls und -Boys den früheren Emos, der Subkultur rund um Emo-Punk in den 00er Jahren. Sie sind die Antithese zum braven Teenie Next Door. Ein typisches E-Girl etwa hat ihre Haare zu zwei hohen Pferdeschwänzen gestylt und in Pastellfarben gefärbt, im Gesicht trägt sie auffälliges und vor allem viel Make-up, insbesondere Lidschatten und Rouge.

Ausserdem gehört ein Piercing im Gesicht nicht selten dazu; dann kommen eine Panzerkette hinzu, ein buntes Crop-Top, Jeans und Plateauschuhe, die beide aus den Nineties stammen könnten. Geshoppt wird das Ganze auf der Second-Hand-Plattform Depop oder in Independent-Online-Stores wie Unif und Dollskill. Von zurzeit bekannten Stars kommt Billie Eilish dem optischen Ideal eines E-Girls am nächsten.

Generation Z Die Sängerin Billie Eilish vereint in sich alles, was Teenies heutzutage beschäftigt

Äusserst zeitgemäss

Einen typischen E-Boy kann man sich ziemlich genau so vorstellen wie einen Skater aus den späten neunziger Jahren, inklusive Beanie-Mütze, Baggie-Pants und Haaren, die tief ins Gesicht fallen. Hinzu kommt allerdings auch eine neue Weichheit, gewisse Sentimentalität oder etwas, was vereinfacht als Feminität beschrieben werden könnte. Allein schon die Tatsache, dass es E-Boys gibt und sie die gleichen ästhetischen Rechte haben wie ihre weiblichen Counterparts, macht die Jugendkultur äusserst zeitgemäss – und so befreiend für die Entwicklung der Teenager-Persönlichkeiten.

Allerdings berichten E-Boys online auch immer wieder, dass sie im echten Leben angefeindet (oder zumindest schräg angeschaut) werden. Die Welt draussen scheint für vieles, wofür die E-Teenies stehen, noch nicht bereit zu sein – oder sie, wie Teenager es ja selbst gerne sehen, einfach nicht zu verstehen. Im echten Leben sind E-Girls und -Boys daher vermutlich häufig erst recht die Ruhigen, Unscheinbaren.

Filter schaffen eine Distanz

Die noch offene Frage ist, was es mit ihnen macht, wenn sie sich nur online und nicht ausserhalb der digitalen Blase so zeigen können, wie sie sich fühlen. Und auch, was es für einen Einfluss auf Teenager hat, wenn eine ihrer bestimmenden Subkulturen allein durch eine Form der Selbstdarstellung definiert ist. Denn das ist bei den E-Girls und -Boys der wohl bestimmendste Aspekt: Weder Musik noch sonstige bestimmte Verhaltensweisen definieren sie. Es geht allein um ihr Auftreten online.

Das Gute allerdings ist, dass genau das den E-Girls und -Boys bewusst zu sein scheint. Ihre Ästhetik erzählt immer auch von einer gewissen Ironie, einer bestimmten Form von Humor und Distanz – gerade, weil sie so viel von so vielem ist. Diese Ästhetik wiederum prägt wie ein ewiger Kreislauf auch das, mit dem die Teenager ständig umgeben sind – etwa Filter auf Instagram, die das bunte Make-up oder Schönheitsideale wie beispielsweise Sommersprossen imitieren.

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