Welchen Einfluss hat die Bildschirmzeit auf den Heilungsverlauf nach einem Schädel-Hirn-Trauma? - Pädicus (2024)

Wenn Kinder krank zu Hause sind, werden oft jegliche Art von Medien (Handy, Tablet, Computer, Fernseher) genutzt, um den stressigen Alltag bewältigen zu können.

Nun hat eine wissenschaftlich gut durchgeführte Studie (randomisiert, geblindet) aus Boston, USA gezeigt, dass weniger Bildschirmzeit in den ersten 48 Stunden nach einer Gehirnerschütterung einen besseren Heilungsverlauf ermöglicht. (Macnow et al. JAMA Pediatr. Online September 7, 2021. doi:10.1001/jamapediatrics.2021.2782)

Kliniker und Eltern haben jetzt erstmals eine Grundlage, eine kognitive Ruhe in Bezug auf die Bildschirmzeit zu empfehlen. Dies kann im täglichen „Kampf“ um „Medienzeit“ vor allem mit Schulkindern und Teenagern eine Hilfe sein.

Aber beginnen wir von vorne. Was wurde genau gemacht und welche Ergebnisse haben die Wissenschaftler um Macnow herausgefunden?

Wie sieht eine Therapie nach einer Gehirnerschütterung denn aktuell aus?

Der potenziell negative Einfluss der „Bildschirmzeit“ (v.a. durch Fernsehen, Smartphone und Computer während der ersten Tage) nach einer Gehirnerschütterung /Schädelhirntrauma (SHT) ist schon seit vielen Jahren ein heißes Diskussionsthema.

Häufig wird eine „Kokon Therapie“ mit „kognitiver und körperlicher Ruhe“ empfohlen, ohne dass es dafür in allen Punkten gute Evidenz gab. Das ist in der (nicht immer optimalen) Realität insoweit nicht banal, weil die Kinder sowohl im Krankenhaus als auch danach zuhause „beschäftigt“ werden wollen und müssen.

In Bezug auf die körperliche Ruhe, hat sich schon seit 2015 ein Umdenken eingestellt. Entgegen der Annahme stellt sich nämlich zunehmend heraus, dass wohldosierte und den Beschwerden des Kindes angepasste, schrittweise steigende, körperliche Aktivität förderlich für den Genesungsprozess nach einer Gehirnerschütterung ist.

Was war das Ziel dieser Studie?

Es wurde untersucht, ob die Bildschirmzeit in den ersten 48 Stunden nach einer Gehirnerschütterung einen Einfluss auf die Dauer der Gehirnerschütterung-Symptome hat.

Wie wurde die Studie durchgeführt?

Die Studienteilnehmer wurden zufällig ausgewählt und waren zwischen 12 – 25 Jahre alt.

Alle Teilnehmer hatten eine Gehirnerschütterung und kamen innerhalb von 24 Stunden nach dem Trauma in die Notaufnahme des Krankenhauses.

Insgesamt wurden 125 Teilnehmer in die klinische Studie aufgenommen und randomisiert. Das bedeutet, dass die Teilnehmer zufällig einer Gruppe zugeordnet wurden.

Bei der einen Gruppe war jegliche Art von Medien und eine uneingeschränkte Bildschirmzeit erlaubt. Die andere Gruppe musste 48 Stunden nach dem Trauma auf jegliche Art von Bildschirmen verzichten.

Was war das Ergebnis der Studie?

Die Studie zeigt, dass eine geringere bzw. besser keine Nutzung elektronischer Bildschirme für die ersten 48 Stunden nach einer Gehirnerschütterung die Dauer der Gehirnerschütterung-Symptome um durchschnittlich 4 Tage verkürzt. Dies könnte Kinder, die schneller wieder aktiv werden wollen (Freunde, Freizeit, Sport, Schule usw.) motivieren, für eine überschaubare Zeit ihre Medienzeit einzuschränken.

Es kommt aber offenbar auch auf die Art der Bildschirmnutzung an. Andere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Bildschirmnutzung, die beispielsweise soziale Kommunikation und Lernen (Videokonferenzen, SMS, Chat) ermöglichen auch vorteilhaft sein können.

Denn: Das Gehirn benötigt offenbar doch auch „fördernde“ Umwelteinflüsse, um sich zu erholen. Ein gewisses Maß an kognitiver, „produktiver“ Aktivität nach der akuten Phase könnte also ein Vorteil sein, selbst wenn diese Aktivität mit Bildschirmen verbunden ist.

Es sind also noch zukünftige Studien erforderlich, um die Auswirkungen verschiedener Arten der Bildschirmnutzung während der akuten Phase nach einer Gehirnerschütterung zu bestimmen und zu untersuchen.

Obwohl die Dauer der Gehirnerschütterung-Symptome in der „medienbefreiten“ Gruppe deutlich kürzer war, gab es in dieser Studie keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Zeit bis zur Rückkehr in die Schule oder den Sport. Es kommt aber natürlich auch nicht immer nur auf das „OB“ (die Kinder in die Schule gehen können), sondern auch auf das „WIE“ (fühlen sie sich dann) an! Ohne Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen fühlen sich Kinder in ihrem Alltag doch besser!

Laut den Autoren der Studie und dem dazu gehörigen Editorial wird diese Studie die Empfehlungen für die Behandlung einer Gehirnerschütterung grundlegend verändern: Neue Richtlinien werden wahrscheinlich Begrenzungen der Bildschirmzeit für die ersten 48 Stunden nach der Verletzung als empfohlene Behandlung beinhalten. Für die Zukunft sind größere und multizentrische Studien geplant, um den Einfluss anderer „Bildschirm OFF“ Zeiten und Bildschirm“arten/medien“ und deren Inhalte zu untersuchen.

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